Britische Wissenschaftler untersuchen erstmals umfassend den Einsatz von Flugzeugen zur künstlichen Abkühlung der Erde. In großer Höhe sollen Sulfatpartikel freigesetzt werden, die als helle Aerosole Sonnenstrahlen reflektieren. Die britische Regierung stellt über 50 Millionen Pfund bereit, um über die Advanced Research and Invention Agency (ARIA) neue Programme zu finanzieren. Ziel bleibt es, innovative Methoden gegen die globale Erwärmung zu entwickeln. Diese Experimente gelten als Teilbereich des Geoengineerings, das gezielt in natürliche Klimaprozesse eingreift (faz: 25.04.25).
Der erste große Testlauf: Flugzeuge als Werkzeug der Klimasteuerung
In der Stratosphäre, über 20 Kilometern Höhe, verteilen Flugzeuge Sulfatpartikel, die sich zu lichtreflektierenden Wolken formen. Diese künstlichen Wolken können vorübergehend die Erdtemperatur in begrenzten Gebieten senken. Professor Mark Symes, Programmdirektor bei ARIA und Elektrochemiker an der Universität Glasgow, betont die unverzichtbare Rolle klassischer Klimaschutzmaßnahmen. „Die Dekarbonisierung ist von entscheidender Bedeutung, aber mit unserem derzeitigen Fortschritt besteht das Risiko, dass wir eine große Anzahl von temperaturbedingten Klimakipppunkten auslösen.“

Das britische Projekt soll umfangreiche Daten sammeln, um zu erforschen, „wie – oder ob – wir die Erde sicher und verantwortungsbewusst in der Zeit kühlen können, die zur Vermeidung einer Klimakatastrophe erforderlich ist.“ Frühere Naturereignisse deuten auf entsprechende Effekte hin: Nach dem Ausbruch eines Vulkans auf den Philippinen 1991 kühlte sich die globale Temperatur im Folgejahr um ein halbes Grad ab.
Risiken, Nebenwirkungen und der Streit um den Einsatz von Flugzeugen
Geoengineering bleibt ein höchst umstrittenes Forschungsfeld. 2024 stoppte Harvard ein ähnliches Projekt aufgrund massiver Proteste. Kritiker warnen vor möglichen Folgen wie veränderten Niederschlägen, beeinträchtigtem Pflanzenwachstum und Schäden an der Ozonschicht. Befürworter betonen hingegen, dass die kontrollierte Ausbringung durch Flugzeuge nur minimale lokale Effekte verursachen könnte.
Unterstützung für das britische Projekt äußerte Shaun Fitzgerald, Direktor des Centre for Climate Repair an der Universität Cambridge. Die staatliche Förderung markiere „einen bedeutenden Meilenstein“, da die Regierung Geoengineering erstmals als relevanten Forschungsbereich anerkenne. Professor Hugh Hunt von der Universität Cambridge erklärt: „Geoengineering ist nicht ohne Risiken, aber die Risiken des Nichtstuns sind weit größer.“
Weltweite Zurückhaltung bei Geoengineering-Experimenten
Großbritannien positioniert sich damit weltweit als Vorreiter. In den USA hatten die National Academies of Science, Engineering and Medicine vor vier Jahren Investitionen von bis zu 200 Millionen Dollar empfohlen. Entsprechende Projekte blieben allerdings aus. Auch die Europäische Union zeigt sich skeptisch: Ein wissenschaftliches Beratergremium bezeichnete Nutzen und Risiken der „Modifikation der Sonneneinstrahlung“ als „höchst ungewiss“.
Das deutsche Umweltbundesamt fordert eine weltweite Regulierung. Zu groß erscheine das Risiko unkontrollierbarer Folgen. Private Akteure bringen bereits eigene Versuche voran. Vor allem Start-ups wie „Make Sunsets“ lassen Ballons mit Sulfatpartikeln aufsteigen, um durch einen ähnlichen Mechanismus wie bei den britischen Flugzeugen Sonnenstrahlen zu reflektieren.
Der Wettlauf gegen die Erderwärmung
Mit dem britischen Großprojekt erreicht die Forschung eine neue Dimension. Gleichzeitig bleibt unklar, ob technische Lösungen wie das Versprühen durch Flugzeuge jemals kontrollierbar sein werden. Dennoch wächst unter vielen Forschern die Überzeugung, dass Untätigkeit weit größere Gefahren birgt. Angesichts des raschen Klimawandels steigt das Interesse an radikalen Alternativen weiter.
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